"Wir alle sind ´Charlie´!" - Der Islamische Staat - eine militante Antwort auf die Verwüstung der arabischen Welt durch die US-geführte Kriegsallianz

Datum
Ort
Regensburg
Themenbereich
Staatenkonkurrenz und Imperialismus

Seit den Anschlägen in Paris steht es fest: Der islamistische Terrorismus ist 'bei uns' angekommen und bedroht alles, was uns heilig ist, vor allem und ganz besonders unsere Meinungsfreiheit. Diese Diagnose hat eine lächerliche Seite. Nach dem Massaker durch zwei fromme Desperados wird ein Satiremagazin in den Rang einer gesamtwestlichen Ikone erhoben, das ansonsten eher ignoriert oder mit Beleidigungsklagen überhäuft wird. Das Recht, seine unmaßgebliche Meinung äußern zu dürfen und Allah, den Gott der Fremden, mit Spott zu überziehen, wird aus diesem Anlass in den Rang des Inbegriffs westlicher aufgeklärter Wertegemeinschaft und unserer Lebensart erhoben. So als ob das tägliche Leben im freien Westen in erster Linie dadurch geprägt wäre, dass die Leute miteinander streiten und diskutieren oder gar die geistige Unterwerfung unter selbstgewählte ‚Gottesgebote‘ kritisieren. Als wüsste nicht jeder, dass sich das wirkliche Leben in den westlichen Demokratien in erster Linie ums Geldverdienen mit all seinen Nöten, Gegensätzen und Gemeinheiten im Kleinen und um die harte internationale Konkurrenz ums nationale Wachstum und politische Macht im Großen dreht.

Dass niemand lacht, liegt daran, worauf diese Idealisierung des nationalen gesamtwestlichen „Wir“ zielt: auf die moralische Disqualifizierung seiner Gegner. "Sinnlose Barbarei" wird den Attentätern bescheinigt, weil die hierzulande gebilligten und westlichen Staaten zugute gehaltenen sinnvollen Gründe für Gewalt einfach nicht vorliegen. Übrig bleibt das Böse, das Gewalt um der Gewalt willen verübt und nur eine Antwort verdient: "Es kann keine Verhandlungen mit diesem Bösen geben, man kann ihm nicht mit logischen Argumenten beikommen. Die einzige Sprache, die solche Mörder verstehen, ist die Sprache der Gewalt.“ (Obama-Rede vor der UN-Vollversammlung, 25.09.14)

Mit diesem Feindbild wird eine Feindschaft legitimiert, mit der die US-geführte Kriegsallianz seit anderthalb Jahrzehnten den arabischen Raum verwüstet und ganze Staaten liquidiert. Der Islamische Staat ist die militante Antwort übrig gebliebener Milizen darauf und schickt seine Anhänger mit einem ebenso fundamentalistischen Feindbild gegen den "westlichen Kreuzzug gegen den Islam" in die Schlacht.

Um die Gründe dieser blutigen Auseinandersetzung sollte man sich kümmern. Sonst verwechselt man im Verein mit unserer aufgeklärten Öffentlichkeit die kulturkämpferischen Ansagen aus Washington und den Hauptstädten des Westens mit der Sache, um die es den eingreifenden Mächten, den USA allen voran, bei diesem Kampf gegen eine 'Geißel der Menschheit' tatsächlich geht.

Literaturhinweise
Viel Lärm um ein paar Zeichnungen zum Thema ‚Mohammed‘ und ein Kreuzzug für die Meinungsfreiheit
in GegenStandpunkt 1-2006

Antiterrorkrieg nächster Akt
Luftschläge und eine neue Allianz-Politik der USA gegen den Heiligen Krieg des Islamischen Staates
in GegenStandpunkt 4-2014

 

 

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