Vom Kapital benutzt, vom Staat organisiert, von Patrioten beargwöhnt: Deutschland, seine Migration und seine Migrationspolitik

Datum
Ort
Bremen
Themenbereich
Arbeit, Kapital und Sozialstaat
Volk, Nation und Moral
Veranstalter
Argudiss
Dozent
Ein Redakteur des GegenStandpunkt-Verlages

Migration war das Thema des jüngsten Wahlkampfes. Und zwar gleich in der Form einer Frage von unser aller Sicherheit, wofür ein paar Attentate den passenden Anlass gaben. Die wurden von Politikern quer durch das demokratische Spektrum mit dem Migrationshintergrund der Attentäter zusammengeschlossen in einer dreist-absurden Weise, die offenbar ins geistig-moralische Repertoire ihres Berufsstandes gehört.

Migration aktuell als Problem für „unsere Sicherheit“, generell als Gefahr für ein Ding namens „unsere Kultur und Identität“ – das darf sie auf keinen Fall sein, wofür die Politik endlich zu sorgen hat; darüber besteht Einigkeit. Und gleichzeitig wird ebenfalls ziemlich einhellig beteuert, dass Migration, nützliche, selbstverständlich auch weiterhin sein muss: „für unseren Standort“, „für unseren Wohlstand“, irgendwie auch für „unsere Zukunft“ und diese Dinger. Beteuerungen dieser Art sind eigenartig.

Sie unterstellen nämlich erstens bei denen, an die sie sich richten, den Glauben, letztlich und eigentlich wäre es ein großes Privileg, dieses Land als „Heimat“ bewohnen zu dürfen, die man sich eigentlich und wenigstens nicht mit Fremden zu teilen braucht. Um sie aber zweitens mit Verweisen auf den Nutzen, den sie als Deutsche von den Leistungen der Migration haben, mit der dauerhaften Anwesenheit von Fremden zu versöhnen. Und weder beim Stolz auf ein „Wir“, das eigentlich keine Fremden verträgt, noch bei der verordneten Duldung der Fremden als Nützlinge für „uns“ darf es die so angesprochenen Deutschen irritieren, dass „ihre Heimat“ für sie mehrheitlich exakt die öden Rollen vorsieht, in denen sie dann, wenn überhaupt, auch ihren 30% Zeitgenossen „mit Migrationshintergrund“ begegnen – auf dem Arbeitsmarkt, auf dem Wohnungsmarkt, in den Wartelisten bei staatlichen Ämtern und bei Kassenärzten…

Darum kümmern sich engagierte, volksfreundliche Politiker, die auch für die regelmäßig in Hass umschlagende Xenophobie ihres Volkes ein offenes Ohr haben. Die organisieren also beides: die Migration und die Lebendigkeit eines patriotischen Herr-im-Haus-Standpunkts, der mit Migration immer so schlecht zurechtkommt. Für beides haben sie ihre Gründe. 

Hinweis zur Aufnahme:

Der Vortrag beginnt mit einem Zitat aus einem GegenStandpunkt-Artikel. Der Anfang des Zitats ist nicht komplett auf der Aufnahme. Deswegen hier noch einmal zum mitlesen:

GegenStandpunkt 4-99 - Globalisierung - Der Weltmarkt als Sachzwang
1. Eine Idee macht Karriere...
Wenn ein Wort zum Schlagwort wird, dann nennen es die Leute zwar gerne einen Begriff, aber der ausgiebige Gebrauch verbürgt überhaupt nicht, dass die Benutzer des Wortes, die es für so viel sagend halten, etwas begriffen haben. Wenn sie das gute Stück wieder einmal zum Einsatz bringen, fangen sie nicht an mit einer Erklärung der Sachen, um die sich die Diskussion dreht. Im Gegenteil: Ein rechtes Schlagwort signalisiert Bescheidwissen, erklärt jede "weitere" Erklärung für überflüssig, ist durch seine Erwähnung der eingelöste Anspruch auf Zustimmung und deshalb sehr begehrt bei Zeitgenossen, die ihren ansonsten sehr eigenen und persönlichen Meinungen ein bisschen Unwidersprechlichkeit verschaffen wollen. Eingedenk der Unsitte, mit Hilfe einiger Kürzel dem Begründen und Erklären aus dem Weg zu gehen und entsprechende Versuche zu erschlagen, haben sich Schlagwörter bei wachen Geistern einen schlechten Ruf erworben. Für Leute, die gelegentlich etwas genauer wissen wollen, ist das Hantieren mit Schlagwörtern eine unredliche Art zu diskutieren; eine Manier, Notwendigkeiten ohne gescheiten Grund in die Welt zu setzen und ihre allgemeine Anerkennung zu fordern, die keineswegs so notwendig sind, wie es das eifrig in die Runde geworfene Schlagwort fingiert. Die vielmehr Absichten und Interessen verbergen sollen, die gar keine Anerkennung verdienen und überprüft gehören. 

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